Thursday, August 13, 2015

Lexikon der Familiennamen ist online

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In Deutschland gibt es mehr als 800.000 verschiedene Familiennamen. Ihre Entstehung und Bedeutung untersuchen Mainzer Namensforscher. Ihr Ziel ist es, die häufigsten 200.000 Namen in einem Online-Wörterbuch zu erklären.
Klingelschild an einer Haustür
„Sage mir, wie du heißt, und ich sage dir, wer du bist.“ Wohl kaum jemand schenkt diesem alten Sprichwort heute noch Glauben. Und doch hat es einen realen Hintergrund, denn Familiennamen waren ursprünglich Beinamen und haben oft eine Eigenschaft oder die Herkunft einer Person erläutert. Kennt man also die Bedeutung des eigenen Nachnamens, weiß man zugleich etwas über die Geschichte der eigenen Familie. Das Problem dabei ist jedoch, dass sich Familiennamen und Wortbedeutungen im Laufe der Jahrhunderte oft so stark verändert haben, dass die ursprüngliche Bedeutung heute nicht mehr ohne Weiteres zu erkennen ist.

Hilfe kommt nun von Wissenschaftlern der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur, die in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Darmstadt und der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz das „Digitale Familiennamenwörterbuch Deutschlands“ (DFD) erstellen. In diesem Online-Lexikon sollen erstmals die 200.000 Nachnamen erfasst und erklärt werden, die in Deutschland am häufigsten vorkommen. Darunter sind auch zum Beispiel türkische oder italienische Namen. Außerdem werden sie nach regionalem Vorkommen auf einer Karte eingezeichnet.

In dem auf 24 Jahre angelegten und 2012 begonnenen Langzeitvorhaben wurden jetzt die ersten gut 1.000 Familiennamen vorgestellt, bis Jahresende sollen es 2.000 sein.

„Kein Name ist langweilig“, beschreibt die Germanistin und Projektleiterin Rita Heuser ihre Motivation bei der häufig schwierigen Detektivarbeit. Neun feste Mitarbeiter und zahlreiche Hilfskräfte werten Namenslexika aus, stöbern in Kirchenbüchern, befragen Dialekt-Nachschlagewerke. Nachnamen seien wichtig für die Identität vieler Menschen, sagt Heuser. Zudem erlaubten sie einen Blick in die Vergangenheit und transportierten jede Menge Informationen über Kultur, Geschichte und Alltagsleben der Menschen im Mittelalter.

Als Beispiel nennt die Wissenschaftlerin etwa den Namen „Nonnenmacher“, der schnell auf eine falsche Fährte lockt und nur wenig mit Ordensfrauen zu tun hat: Als Nonnenmacher wurden im Mittelalter im Südwesten Männer bezeichnet, die junge Schweine kastrierten. Ein kastrierter Eber wurde als „nunne“ bezeichnet.
Handwerker im Mittelalter, Bild aus dem Sachsenspiegel, 14. Jahrhundert
Welche Familiennamen aus diesen Tätigkeiten wohl abgeleitet wurden?
Die Familiennamen entstanden in Deutschland um das 13. Jahrhundert. Mit dem Anwachsen der Städte und ihrer Verwaltungen reichten die Vornamen nicht mehr aus. Für Rechtsgeschäfte wie das Erstellen einer Urkunde musste genau zwischen Menschen mit denselben Vornamen unterschieden werden.

Namensforscher kennen vor allem fünf Kategorien von Familiennamen: An erster Stelle sind dabei die Berufsnamen zu nennen, darunter die drei häufigsten deutschen Familiennamen Müller, Schmidt und Schneider. Andere Nachnamen zeigen die Herkunft aus bestimmten Ländern bzw. Städten (z. B. Schweitzer, Adenauer) oder den Wohnort (z. B. Waldmann, Busch) an. Häufig verweisen sie auch auf charakterliche oder körperliche Merkmale ihrer Träger (z. B. Kühn, Klein oder Lange). Eine letzte Gruppe von Nachnamen schließlich wurde aus Rufnamen, insbesondere den Vornamen der Väter, gebildet (z. B. Jensen = Sohn des Jens).

Seine Datenbasis verdankt das Projekt der Deutschen Telekom und den Telefonbüchern des Jahres 2005. Damals hatten noch rund 92 Prozent aller privaten Haushalte einen Festnetzanschluss bei der Telekom. Die mehr als 28 Millionen Anschlüsse enthielten über 800.000 unterschiedliche Familiennamen; auch die regionale Verteilung geht daraus hervor. Das DFD erfasst jeden Familiennamen mit mindestens zehn Telefonanschlüssen und kommt so auf den Grundbestand von ca. 200.000 Familiennamen. Mittlerweile wäre eine aktuelle Studie diesen Ausmaßes nicht mehr möglich: 2012 hatten nur noch rund 65 Prozent der Bevölkerung einen Festnetzanschluss, Tendenz sinkend.

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