Monday, November 10, 2014

Jüdische Familiennamen

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Dargestellt anhand von Beispielen aus der Leipziger Geschichte
In Deutschland lebten die Juden bereits seit dem Mittelalter in sozial abgegrenzten Gemeinschaften und wurden von der christlichen Kultur meist in eine sozial benachteiligte Position gedrängt. Bis tief in die Neuzeit trugen sie nur einen einzigen Namen, der meist hebräischer Herkunft war. 
Beinnamen wurden nur gelegentlich vergeben. Diese bezogen sich meist auf den Namen des Vaters, konnten aber auch einen Hinweis auf den Beruf oder eine Angabe zum Herkunftsort geben, vgl. spätmittelalterliche Fügungen wie Schloma, Abrahams son oder 1436 Abraham … tzu Lipczk.
Innerhalb der christlichen Bevölkerung setzten sich feste Familiennamen erst seit 1600 durch. Bei den Juden entwickelten sie sich zuerst dort, wo es eine große, beruflich vielfältige jüdische Gemeinde gab ‒ so z. B. in Frankfurt am Main, in Wien und in Prag. Erst im 18. und 19. Jahrhundert wurden die Juden im Rahmen der Emanzipationsgesetze zur Annahme fester Familiennamen verpflichtet, zuerst 1787 in Österreich, 1809 in Baden, 1813 in Bayern - in Sachsen erst seit 1838. Dabei boten die Emanzipationsgesetze meistens Gelegenheit zu freier Wahl der Namen. Eine Ausnahme bildete Westgalizien, wo die Juden die Familiennamen administrativ erhielten und wohlklingende Namen (Lilienthal, Rosenthal, Edelstein) käuflich erwerben konnten.
Die Familiennamen der Juden sind daher nicht das Produkt eines langen sozialen und sprachlichen Entwicklungsprozesses sondern sprachgeschichtlich viel jünger als die deutschen Familiennamen. In vielen Fällen wurden Kunstprodukte mit semantischer Durchsichtigkeit oder mit beabsichtigter positiver oder negativer Assoziation gewählt bzw. verordnet.
Die Spezifik jüdischer Namen lässt sich einerseits am zur Bildung verwendeten Namen- bzw. Wortgut ablesen, andererseits auch an speziellen Wortbildungsmustern. Die größte Gruppe unter den jüdischen Familiennamen in Leipzig um 1933 bilden - wie auch bei den deutschen Familiennamen - die Patronyme, jedoch mit speziellen Bildungstypen, vgl. Namen wie Abel, Abraham, Aron, Levi und Levy, aber auch Abelsohn, Abramsohn, Michaelsohn, Avramoff, Abramowitz, Ariowitsch, Aronowitz, Lewensohn, Lewinsky oder Benjaminowitsch.
In der Gruppe der Berufsnamen fallen einige Namen durch ihre Bildhaftigkeit oder auch durch jiddische Einflüsse auf, vgl. Gerstmann, Gewürtzmann, Fleischauer, Fleischmann, Kornmehl, Mühlstein, Muskat, Nudelmann, Zucker, Biegeleisen, Blauzwirn, Harmelin , Ledermann, Nadelreich, Hammerschlag, Hammerstein, Messing, Schleifstein, Garfunkel, Zilversmit.
Anhand der Herkunftsnamen wird vielfach der Zuzug aus dem Osten nach Leipzig verdeutlicht, vgl.Asch, Brod(er), Brodskij, Bromberg, Brünn, Danzig(er), Friedland, Lemberg(er), Marienberg, Russak, Breslauer, Friedländer, Littauer, Posner, Presburger, und Warschauer.
Weniger Spezifik gegenüber deutschen Nachnamen weisen dagegen die Namen aus Übernamen auf, vgl. Borgenicht, Ehrlich, Ehrenreich, Friedmann, Gutherz, Gutfreund, Gutermann, Glücksmann, Kleinzahler, Immerglück, Liebermann, Lustig. Es überwiegen Namen, welche auf positive Eigenschaften anspielen.
Als besonders typisch für jüdische Familiennamen erscheinen die Kunstnamen, die eine sehr umfangreiche Namengruppe bilden. Dabei fällt eine Reihenbildung mit bestimmten positiv konnotierten Wörtern auf, vgl. Blume (Blum, Blumberg, Blumenberg, Blumenfeld, Blumenkranz, Blumenthal, Blümlein), Freude (Freudenreich, Freudenthal), Stern (Stern, Sternberg, Sternheim, Sternlicht, Sternlieb, Sternreich, Sternschuß, Sternweiler) oder Süß (Süßkind, Süss, Süssermann, Süssmann) Gold: Goldbaum, Goldberg, Goldblatt, Goldenthal, Goldfaden, Goldfein, Goldfinger, Goldfischer, Goldfreund, Goldkranz, Goldhammer, Goldmann, Goldkranz, Goldhammer, Goldenmacher, Goldschneider, Goldschlack, Goldstaub, Goldstein, Goldwasser, Rose, Rosen, Rosenbaum, Rosenberg, Rosenberger, Rosenblatt, Rosenblüth, Rosenblum, Rosenfeld, Rosenfelder, Rosengarten, Rosenhain, Rosenkranz, Rosenrauch, Rosenstein, Rosenstock, Rosenthal, Rosenthaler, Rosenzweig usw.
Einige dieser Namen zeigen ungewöhnliche Kombinationen von Bestimmungswörtern und bekannten Grundwörtern, vgl. Namen wie Goldberg, Goldenthal, Rosenberg, Rosenstein und Silberthal usw. Andere fallen durch die Kombination von semantisch schwierig zu verbindenden Konstituenten auf, vgl. Rosenrauch oder Sternschuß.
Anhand der jüdischen Familiennamen von Leipzig treten viele Merkmale der jüdischen Anthroponymie, wie hebräische Provenienz von Namenelementen, Bildhaftigkeit oder ungewöhnliche Bildungsmuster hervor. Andererseits muss betont werden, dass viele der Leipziger Juden auch völlig unmarkierte deutsche Namen getragen haben. Eine gründliche Aufarbeitung dieses hoch interessanten Materials ist wünschenswert.
Weiterführende Literatur (Auswahl)
P. Aufgebauer, Die ersten wettinischen Kurfürsten von Sachsen und ihr "Kammerknecht" Abraham von Leipzig, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 116, S. 121-138.
A. Diamant, Chronik der Juden in Leipzig. Chemnitz-Leipzig 1933
G. Kessler, Die Familiennamen der Juden in Deutschland. Leipzig 1935
Leipziger Jüdisches Jahr- und Adressbuch 1933, hg. von der Ephraim Carlebach Stiftung. Berlin 1994.
L. Menk, A Dictionary of German-Jewish Surnames. Bergenfield, N. J. 2005.

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